2021_08_19-21_Dachstein-West

Gerald, Jördis, Wolfgang, Ben und ich haben uns mit einigen Extrawürsteln, sprich Bedürfnissen, Wünschen, Ansätzen und mehr zusammengefunden, damit wir die unterschiedlichsten Pläne gemeinsam umsetzen.

Wolfi will auf die Bischofsmütze, Gerald auf die Adamekhütte, Ben windsurfen, kommt aber ausnahmsweise mit auf die Mütze, Jördis will hinaus auf die Berge und Klettern und das am Besten am Weg in die Heimat und mir ist es fast egal was, Hauptsache Bergsteigen und Klettern. Gemeinsam ist Wolfi, Gerald und mir noch die Vorbereitung auf den Piz Badile, und alle die Einzelinteressen und das Gemeinsame reichen dann schon für die gemeinsamen Tage.

Die Bucherei mit Halpension und wer kommt wann wohin sind irgendwann erledigt und dann auch schon wieder obsolet. Wolfi verletzt sich beim Bouldern, einer sehr gefährlichen Sportart, an der Hand und muss zu Hause bleiben. So stehen wir Jördis, Gerald und ich am Donnerstag früh, nach einer Nacht im „Jugendgästehaus“ am Gosausee und wandern in die Idylle. Die Bäume sind übersät mit Moos und die Feuchtigkeit ist auch in der Luft. Hinter der Holzmeisteralm geht es dann steil hinauf zum Einstieg zum Gosausee-Triatlon. Etwas unerwartet geht es los. In den Wasserrillen rinnt na was? Richtig Wasser und in den ersten zehn Meter der zweiten Längen lässt sich das Bacherl nicht umgehen. Aber der Fels ist rauh und hält auch so und mit Herz und Hirn also beherzt und beruhigend geht es gut nach oben. Mit jedem Meter wird es kitschiger und entspannter. Die trockenen Rillen werden steiler, das Vertrauen steigt, die Absicherung passt. Die schweren Stellen sind gut abgesichert und ohne Feuchtigkeit ist die Route eine wunderschöne und eindrucksvolle Plaisirkletterei im alpinen Gelände. In den Seen spiegelt sich der Gosaukamm, immer mehr Berggipfel tauchen rundherum auf als wir den Brentenkogel hinaufsteigen. Der Charakter der Tour ändert sich im oberen Teil, da kommen zuerst einige Platten und dann wird es auch noch luftig, weil wir an den Platten am Grat entlang klettern. Ambiente und Routenführung sind beeindruckend und der Fels ist so rauh, dass bald die Fingerkuppen pulsieren. Die Tour endet in den Latschen und am Weg zur Adamekhütte verkoffern wir uns, weil eine scharfe Linksabbiegung und einen gut begangenem Irrweg folgen, statt den Steinmännern zu folgen. So gehen wir die gute Stunden zu Hütte dann durch wegloses Gelände und kommen über die verkarsteten Kalkfelder mit Formationen die ich nur aus Kroatien kennen zurück zum Weg und zur Adamekhütte.

Die Stimmung auf der Hütte ist entspannt und sehr freundlich. Es gibt gutes Essen nach, was nach dem langen Tag und den vielen verbranten Kalorien gut ist und die Hopfenkaltschale ist vorzüglich. Um zehn ist Hüttenruhe und das Matratzenlager überraschend ruhig.

Am Freitag geht es nach dem Frühstück Richtung Schreiberwand. Ziel ist der Holänderpfeiler. Gerald startete die ersten Längen. Der Fels ist wieder sehr griffig, rauh und diesmal trocken. Die Bewertung ist wieder etwas schwieriger als wir es aus dem Bergland kennen, also sind manche 4er nicht ganz so in der Komfortzone und manche 5er Stellen dann doch recht herausfordernd oder überreden zum Klinken oder Überklettern mit Hakenunterstützung im ersten Versuch. Die Route ist wieder abwechslsungsreich, unten Wasserrillen, und dann geht es in Verschneidung und auf die Gratplatten. Wunderschöne Kletterei in bestem Fels mit guter Absicherung und einem extrem beeindruckenden Panorama. Der Abstieg geht über einige Gipfel der Schreiberwand zurück zur Adamekhütte. Der Durchstieg durch die Wand ist teilversichert und deshalb nie problematisch. Die Felsstrukturen, Dolinen und Formen und der Ausblick sind unbeschreiblich. Auf der Hütte laben wir uns und dann trennen sich unsere Wege. Jördis steigt nach Gosau ab und Gerald und ich überschreiten zur Hofpürglhütte wo wir Ben treffen wollen.

Der Linzersteig führt am Fuße des sich mehr und mehr zurückziehenden Gosaugletschers vorbei durch einige im Dachsteinstyle gesicherte Wandstufen. Riesige Klampfen und dicke Stahlseile weisen den Weg. Es geht hinauf zum Torsteineck, die Gletscherreste mahnen am Weg, der uns um den Hochkesselkopf herum, den Wolfi sicher nicht ausgelassen hätte, hinüber ins Salzburgerische auf die Südseite führt. Dort wird es nach dem recht ausgesetzten und steilen Abstieg aus der Reisgangscharte gleich mal deutlich wärmer und das Läuten der Kühe empfängt uns im lieblichen Almengebiet. Irgendwo am Weg erreicht uns der Anruf von Ben, der mit einem Hexenschuss im Rücken absagt. So sind wir nur noch zu zweit für die zu viert geplante Bischofsmütze morgen nach der Idee von Wolfang. Nach dreieinhalb Stunden ziehen wir die dampfenden Schuhe aus und betreten eine Schihütten-Atmosphäre die mit seltsamer Bergsteiger-Paranoia durchzogen ist. Die Kaltgetränke sind aber ganz normal.

Das Abendessen um Punkt sechs Uhr, das wir erst um 18:29 mühevoll serviert bekommen, ist etwas lieblos, Variationen aus der Dose, die Spätzle naja und der Fruchtsalat ebenfalls aus der grossen Weissblechumverpackung. Die Decken müssen wir unter Vorlage der Reservierungsbestätigung, die den Hinweis, dass ein Hüttenschlafsack nötig ist, enthält, vertraglich erzwingen. So kalt ist es dann doch nicht, aber wir hätten sie, wenn es nötig gewesen wäre. Die Mischung aus übertriebener Organisation und gewachsener verbotsgeleiteter Strukturen ist irgendwie traurig, grauslich und lustig, teilweise unfreundlich und dann doch wieder berührend nett in einer ambivalenten Form.

Als wir um sieben zum Frühstück kommen sind unsere Rucksäcke schon gepackt. Vorbei an einigen der momentan 412 Kletterrouten steigen wir der Bischofsmütze entgegen. Der Zustieg ist steil und im oberen Bereich brüchig wie die Tour. Ehrfürchtig erklettern wir die beiden Vorbauten. Am Einstieg rieseln Steine und die Einheimischen kommen ohne Seil aus der Tour. Nur die Kinder (etwa acht bis zwölf Jahre) werden abgelassen. Wir gehen in Wechselführung mit Seil und hängen einige Längen zusammen. Unser Finger werden durch den einigermaßen abgespeckten Fels geschont. Die steinschlaggefährdete Mützenklamm wird an den Rändern beklettert, so sind nur die Wechsel zum Aufpassen. Oben wird es mit dem thermischen Winden in der Klamm empfindlich kalt. In den letzten vier Längen wird der Fels rauher. Am Gipfel sind wir ein paar Minuten allein, bis eine Seilschaft aus dem steilen und brüchigen Jahnweg den höchsten Punkt erreicht. Der Weitblick ist heute ungetrübt, nur vereinzelt sammeln sich um die hohen Gipfeln Wolken. Mit dem 60er Doppelseil sind wir in drei Abseillängen wieder beim Einsteig und nehmen einiges an Steinen mit nach unten. Beim Abseilen über den ersten Vorbau klemmt dann doch einmal das Seil beim Abziehen. So haben wir noch einen ordentlichen Workout.

Wir essen eine Kleinigkeit auf der Hütte und dann geht es zurück in die Zivilisation, zur touristischen Hofalm mit viel Getöns und den turistischen Scharm von Filmmoos, den wir rasch an uns vorüberziehen lassen. Ich fahre öffentlich nach Hause, Gerald hat noch das Wochenende in Maria Alm.

Fein war es. Wir haben viele Kletter- und Wandermeter gemacht. Unser Fingerkuppen sind bei dem rauhen Fels in zwei Tagen dünnhäutig geworden. Nun weiss auch ich, dass die Adamekhütte ein absolutes Kletterparadies in alpinem Ambiente ist, die für einge Tage genug Möglichkeiten bietet, sich auszutoben und Qualitätszeit am Berg zu verbringen.

vor 2 Jahren

1 Kommentar

  1. Wow! Ich hab beim Lesen und Schauen feuchte Hände und Sehnsucht bekommen.
    Das nächste Mal bin ich unbedingt dabei, also zumindest auf der Adamek, die offenbar wesentlich entspannter zu genießen ist…

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