2024_10_30-11-01-Gutenberghaus

Die Bergfahrt beginnt um 4.42 in Weiz als ich in den Bus steige. Eine Stunde später steigen Oliver und ich in den IC und um 8:44 kommen wir mit dem Bus in der Ramsau an. Vom Hüttenwirt des Guttenberghauses bekommen wir den Schlüssel zum Winterraum und einen Lift bis zum Feisterer Hof. Von dort geht es zu Fuß die tausend Höhenmeter hinauf zur Hütte, die am Fuße des Sinabels und des Eselsteins trohnt. Trotz vollem Rucksack, wir haben mehrere Liter Flüssigkeit, Essen für drei Tage und die Klettersteigausrüstung am Rücken, erreichen wir in knapp zwei Stunden die Hütte und breiten uns erstmal im Winterraum aus. Es ist alles da, was nötig ist: Tischherd, Töpfe, Salz, Decken und Betten, am Tisch steht eine Kerze, das Licht funktioniert und in der Regenwassertonne ist ausreichend Wasser.

Nach einer Pause steigen wir in den Klettergurt und gehen zum Austria Klettersteig hinüber, wo ich vor fast genau 4 Jahren mit Konrad schon gewesen war. Wolken hängen um die Gipfel und es ist nicht ganz so warm wie angenommen als wir die ersten Meter hochsteigen. Oliver´s Klettergurt hat schon ein paar Klettersteige gesehen. Heute geht es aber richtig zur Sache. Der Steig beginnt steil und wird nach einigen Klettermetern deutlich einfacher. Nach einer ersten Querung geht es in einen Riss steil und ausgesetzt in die Gipfelwand, die mit Klampen gespickt sehr luftig hinauf zum Gipfel führt. Oliver kraxelt beherzt und voller Power hinauf. Beim Bankerl fast ganz oben will er nicht rasten, er weiß, er muss hinauf. Ich trage ins Routenbuch ein und genieße das Schauspiel von Sonne und Wolken und nach eineinhalb Stunden erreichen wir den Gipfel. Voller Tatendrang steigen zur Feisterscharte ab und dann wieder zur Gruberscharte auf.

Von dort erreichen wir in wenigen Minuten den Eselstein Westgrat Klettersteig, der uns unschwer zum Gipfel des Eselssteins bringt. Wir erwischen wieder einige Momente zwischen Wolken und um rechtzeitig vor Sonnenuntergang beim Guttenberghaus zu sein steigen wir ohne große Pause ab. Den Abstiegsklettersteig durch die Westwand übersehen wir, so gehen wir den steilen Steig auf der Nordostseite hinuter Richtung Feistererscharte, halten uns aber dann am Fuß des Eselsteins und erreichen über einen gut ausgetrettenen Steig über ein Schotterfeld das Guttenberghaus.

Dann wird eingeheizt, Wasser und Essen gekocht, es gibt Nudeln, Sugo und Parmesan, für jeden ein Bier und Schnitten als Nachtisch. Um neun fallen wir unter einem herrlichen Sternenhimmel und in einem warmen Winterlager ins Bett.

Am nächsten Morgen braucht es keinen Wecker. Wir sind um fünf munter und verlassen noch vor Sonnenaufgang, nach einem guten Frühstück, die Hütte. Wieder steigen wir zur Gruberscharte auf und genau mit dem Sonnenaufgang starten wir in den Ramsauer Klettersteig ein. Heute ziert kein Wölkchen den Himmel und die Sicht ist klar und weit. Unschwer geht es über einige versicherte Stellen und mehr Steige hinauf zur Hohen Rams und zur Schleichenspitze. Diese erreichen wir um kurz nach acht, gönnen uns eine kurze Pause unter dem überdimensionalen Gipfelkreuz und genießen das atemberaubende Panorama. Dann geht es etwas schwieriger auf der Südseite um den Schmiedstock. Dieser Abschnitt ist mit C bewertet und die Schlüsselstelle des Klettersteiges, aber auch im Abstieg ohne Probleme machbar. Wir bemerken langsam, dass wir schon eine ganze zeitlang kletternd unterwegs sind und die Länge und Höhenmeter, die über die Hohen und Niedere Gamsfeldspitze auf uns warten, fordert ihren Tribut. Nach fünfeinhalb Stunden und gut eintausend Höhenmeter Aufstieg stehen wir auf der Edelgrieshöhe. Oliver ist klar, dass der Irg 2 heute keine Option mehr für ihn ist. Nachdem ich voller Vorfreude auf die steile Wand schaue, trennen wir uns. Oliver steigt über das steile Edelgries, das voller Schnee ist, hinauf zum Rosmarienstollen. Ich nehme den Klettersteig Irg 2 auf den Koppenkarstein. Dieser startet unweit der Edelgrieshöhe am tiefsten Wandpunkt. Die Geschichte des Steiges ist etwas skurril. 2004 wurde dieser eingerichtet. 2016, also nach über 10 Jahren stellte sich heraus, dass dieser, weil teilweise auf oberösterreichischem Boden, illegal, von Schladminger Bergführer Georg Irg Steiner errichtet wurde. Deshalb verlegte man den Steig kurzerhand ein paar Meter weiter in die Steiermark. Das kann die (Macht-)Politik. Schon der Einstieg ist knackig und damit Oliver nicht allzu lange warten muss, steige ich zügig auf. Immer wieder kann ich ihn im Aufstieg durch die Schneefelder und zwischen den Felsen sehen, im oberen Drittel verschwindet er dann im gehauenen Steigteil hinüber zum Stollen. Der Klettersteig gehört zu den Schönsten, die ich bis jetzt gemacht habe. Es ist sehr viel auf Reibung und auf Tritte zu steigen. Klampen gibt es nur dort, wo sie zum Klinken nötig. Trotzdem ist der Steig steil, ausgesetzt und folgt einigen Pfeilern und Rampen hinauf, verliert dabei aber nie seinen spektakulären Charakter und ist sehr homogen in der Schwierigkeit. Ich werde oben deutlich langsamer und erreiche nach einer Stunde den Gipfel des Koppenkarstein. Oben erreicht mich auch ein Anruf von Oliver, der auf der Nordseite nicht aus dem Stollen kommt. Die Tür ist, wie sich später herausstellt, verklemmt. Ich mache mich, mit der Hoffnung, die Tür von der Nordseite öffnen zu können, sofort auf den Weg zur Austriascharte. Kurz bevor ich über den Westgratklettersteig zum Eingang zum Rosmarinstollen komme, teilt mit Oliver mit, dass er nach einigen Telefonaten herausbekommen hat, dass die Tür „nur“ verklemmt ist und mit roher Gewalt aufgehen sollte, was sie dann auch tut. So treffen wir uns zu guter Letzt wieder. Ich kann mir noch den Übergang zum Edelgries durch den Stollen anschauen. Jetzt verstehe ich auch die Bestrebungen der Schladminger eines neuen Fußgängerstollens durch den Koppenkarstein, den der Übertritt über den aus dem Felsen gehauene Steig zum Edelgries und der tollen „Powder-Abfahrt“ erleben wir schon im Herbst als herausfordern, mit all den Schneefeldern. Im Winter muss das bei harschigen Verhältnissen oder viel Schnee teilweise zu gefährlich sein, um überhaupt ins Edelgries zu gelangen. Vielleicht ist das aber auch genau die Zugangslimitierung, die eine Steilabfahrt braucht, denn dort warten weitere alpine Gefahren.

Wir klettern, die Leitern zum Schladminger Gletscher und wandern dann die Ramsauer Runde nördlich des Koppenkarsteins, Landfriedstein und Eselstein zur Feisterscharte und zum Guttenberghaus, das wir mit den letzten Sonnenstrahlen erreichen. Eine ganz ähnliche Runde sind Gerald und ich mit dem Schiern schon gegangen. Heute war ein langer Tag, an dem wir fast elf Stunden von vor Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang unterwegs waren.

Heute wird es im Winterraum deutlich schneller warm. Der Couscous schmeckt hervorragend und wieder liegen wir um neun im Bett.

Wieder sind wir vor Sonnenaufgang munter, frühstücken und machen dann die Hütte für den Abmarsch klar. Heute geht es durch die herrliche Silberkarklarm zurück in die Ramsau. Mit den ersten Sonnenstrahlen sind wir schon wieder am Weg. Auf der Schattenseite des Sinabels und der Wasenspitze liegt bis auf 1900 Meter Seehöhe noch einiges an Schnee in den Gruben uns Senken, aber der Weg ist gut zu gehen. Den „Umweg“ zum Silberkarsee lassen wir aus. So sehen wir ihn nur von oben eingeschnitten hundert Meter unter uns. Hinunter zur Silberkarhütte geht es dann steil über geröllig Wege vorbei an der Stangalm, die gerade winterfest gemacht wird. Bei der Silberkarhütte angekommen beschliessen wir noch den Siega-Klettersteig zu gehen, den ich schon vom Familienurlaub von 2021 kenne. Oliver motiviert sich nach einen anfänglichen Durchhänger voll und steigt den steilen Steig und sich hinaus. Bei ihm geht heute der Knopf auf und er macht riesige Fortschritte, was Steigtechnik und Gewichtsverlagerung im Klettern angeht. Voll zufrieden verlassen wir die Silberkarklamm, beeindruckt vom Naturschauspiel des strömenden und tosenden Wassers und der Menge an Menschen, die an diesem wieder wunderschönen Tag in die Klamm strömen. Um 13.40 werfen wir den Schlüssel des Winterraums in das Postkastl von Herr Perhap und dreißig Minuten später sitzen wir im Bus nach Schladming. Oliver kommt gegen halb sieben nach Hause, ich etwa eine halbe Stunde später.

Die Öffi-Tour in die Ramsau war fantastisch. Über 3500 Höhenmeter, 50 Kilometer, sechs Klettesteige, vier Bier und zwei Nächte im Winterraum Guttenberghaus und unendlich viele Sterne und eine Sonne am Himmel. Es waren wunderbare Tage. Draußen, reduziert, voller Ruhe, Zeit zum Nachdenken und zum Reden. Auch wenn der Aufstieg mit Gepäck und Proviant mühselig erscheint, ist die Zeit und das Er-Leben umso wertvoller.

vor 5 Monaten

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